Of things baroque
KV Leipzig

Künstliche Paradiese / Temp. Installation für den Kunstverein Leipzig

mit den Künstler*innen Katharina Schilling + Bastian Muhr

 

Fotos by Christian Doeller / KV Leipzig

KÜNSTLICHE PARADIESE
In Anlehnung an den barocken Lustgarten haben die Landschaftsarchitekt*innen Nina Dvorak (*1984 in Nienburg/ Weser), Stefan Grieger (*1982 in Dresden) und Norman Harzer (*1976 in Dresden) zusammen mit der Künstlerin Katharina Schilling (*1984 in Köln) eine Installation auf dem Dorotheenplatz geschaffen. Zehn mediterrane Palmen und Oleandersträuche stellen den Bezug zur barocken Orangerie, die es auch einst in Apels Garten gab, her. Bevor die Orangerien baulich manifestiert wurden, stellten sie Sammlungen immergrüner und blühender Gewächse – zunächst des Mittelmeerraumes, später auch anderer südlicher Länder – dar. Sie waren Orte der inszenierten Verschränkung von Natur und Kunst und fungierten für gesellschaftliche Veranstaltungen, Repräsentation, naturwissenschaftliche Forschung und philosophische Kontemplation. 
Die Arbeit Wuthering Heights der Künstlerin Katharina Schilling erinnert zunächst an Gesten territorialer Eroberung oder die zeitgenössische Fahnenkultur aus deutschen Kleingärtenanlagen. Die hier gehisste Fahne zeigt eine Figuration von gestaffelten Pferdevorderläufen. Was wie ein Ausschnitt aus einem Historiengemälde wirkt, löst sich in der Spiegelung des Motivs in ornamentaler Abstraktion auf. Die sich aufbäumenden Pferde – wie auch das Platzieren einer Fahne, können somit als ein Zeichen des Aufbruchs gelesen werden. Einst als ein für die Bürger*innen öffentlich zugänglicher Ort der Vergnügung im Barock begründet, soll heute ein eisernes Tiergartenband am Betreten der Rasenfläche hindern. Im Sinne seiner barocken Entstehung öffnet die temporäre Installation den Raum für Austausch zwischen den Bewohner*innen und bietet eine Szenerie für Abendveranstaltungen.

DER BÜRGERLICHE BAROCKGARTEN ALS LUSTGARTEN
In Leipzig zogen sich im 18. Jahrhundert zahlreiche prächtige Barockgärten entlang der früheren Stadtmauer. Da Leipzig keine Residenzstadt war, waren die Leipziger Gärten, anders als barocke Residenzanlagen, wie etwa die Gartenanlage von Versailles, nicht vom Adel, sondern vom Bürgertum initiiert. Von den rund 30 Gärten zeugen heute nurmehr Straßen- und Platznamen. In Folge der Stadtgebietserweiterung wichen die Gärten zugunsten von Wohnraum. Apels Garten – nach dem heute am Dorotheenplatz noch ein Restaurants benannt ist – ist in der Vielzahl der Barockgärten besonders hervorzuheben: Der Seidenfabrikant Andreas Dietrich Apel (1662-1718) erwarb großflächig Grundstücke westlich der Stadtmauer, auf denen er einen schmuckreichen Garten im französischen Stil errichten ließ. Am Eingang von Apels Gartens stand nicht, wie in den königlichen Barockgärten üblich, die Residenz, sondern die Manufaktur des Seidenfabrikanten. 1786 kaufte der Kaufmann Erdmann Traugott Reichel (1748–1832) den Garten. Sein Enkel Carl Heine (1819–1888), der sich später mit der Umgestaltung Plagwitz in die Stadtannalen einschrieb, ließ den Garten in der Mitte des 19. Jahrhunderts parzellieren und schrittweise bebauen. Das Kolonnadenviertel wurde im Zweiten Weltkrieg zu großen Teilen zerstört, dessen Wiederaufbau verzögerte sich bis in die 1980er Jahre. Unter den Vorzeichen der Postmoderne ließen die Architekt*innen die barocke Geschichte des Viertels in ihre städtebaulichen und freiraumplanerischen Entwürfe einfließen – der symmetrische, fächerförmige Stadtgrundriss, die eingehegten Grünflächen mit den beschnittenen Bäumen und das Wiederaufstellen der Permoserfiguren auf dem Dorotheenplatz sind neo-barocke Gestaltungselemente.